Das Thema HIV wird uns in der Szene wohl nie ganz loslassen. Aktuelle Zahlen belegen leider einen erneuten Negativtrend. Positive HIV-Erstdiagnosen sind bei homosexuell agierenden Männern aller gesundheitlichen Aufklärung zum Trotz wieder deutlich angestiegen. Häufig wird das Virus über frisch Infizierte weitergegeben, die selbst noch keine Kenntnis über ihre Neuinfektion haben. Zwar lässt sich HIV medikamentös mittlerweile gut in Schach halten, dennoch bringen sowohl die erforderliche Dauertherapie als auch die über den Virus ausgelöste lebenslange Infektion entsprechende Nebenwirkungen mit sich. Ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung und ein Vermeiden der Infektion von Sexualpartnern sind daher unerlässlich, doch: Wer schützt sich und seine Eroberung denn tatsächlich im spontanen Rausch der Sinne, während er sich in absoluter Unkenntnis der (eigenen oder fremden) Neuinfektion befindet?

Die Dean Street Clinic in London versucht daher nun kreativerweise in Zeiten des Online-Datings, über anonyme Fragen in Anzeigen oder persönlichen Nachrichten in sozialen Netzwerken die Nutzer zu einer persönlichen Risikoabwägung zu bewegen. Gefragt wurde nach dem letzten ungeschützten Sex, der tatsächlichen Kondomnutzung und dem letzten HIV-Test; anschließend erhielten die Teilnehmer weitere Informationen zu Aids und HIV sowie das Angebot zu einem kostenfreien HIV-Test, der per Post an sie gesendet wurde.

Sage und schreibe 17.000 Männer beantworteten bislang die Fragen, davon haben über 10.000 den HIV-Test diskret nach Hause bestellt. Die im Rahmen dessen etwa 100 positiv getesteten Männer wurden von erfahrenen Beratern über ihr Ergebnis informiert und auf Wunsch weiter im Rahmen der Therapie begleitet.

Die Klinik möchte über dieses Projekt einerseits Männer erreichen, die HIV-Tests bisher eher vermieden und sich ungenügend vor einer Infektion geschützt haben, sowie anderseits auch Frischinfizierte möglichst schnell einer Therapie zuführen. So gut die moderne medizinische Behandlung auch mittlerweile ist – sie schlägt deutlich besser an, je kürzer Mann das HI-Virus in sich trägt.

Die Infektion selbst erfolgt über Körperflüssigkeiten wie Blut und Sperma; normaler Hautkontakt wie beispielsweise am Arbeitsplatz und in der Sauna ist daher ungefährlich. Auch in Arztpraxen besteht über die Instrumentendesinfektion kein Ansteckungsrisiko.

Doch was passiert, wenn man sich tatsächlich infiziert? HIV greift systematisch das Immunsystem an, weswegen kurz nach der Ansteckung oft grippeähnliche Symptome auftreten können. Dennoch wird das Virus bei 15% der Patienten erst über den vollständigen Krankheitsausbruch Aids entdeckt, der oft weitere Infektionen wie Lungenentzündung und Tumorbildungen bewirkt; die meisten Patienten sterben an einer dieser Folgeerkrankungen. Die medikamentöse Therapie hemmt den HI-Virus bereits im Vorfeld, sodass der tatsächliche Aids-Ausbruch hinausgezögert oder verhindert werden kann. Eine vollständige Heilung ist zwar nach wie vor nicht möglich, doch sowohl die Lebensqualität der Betroffenen konnte ebenso deutlich gesteigert werden wie auch die Lebenserwartung, die sich mittlerweile nur noch um etwa 10 Jahre von nicht infizierten Menschen unterscheidet. Jeder vierte HIV-Träger ist daher bereits älter als 50 Jahre.

Etwa 78.000 Menschen sind derzeit im Bundesgebiet infiziert, wovon rund 63.000 Männer sind; 51.000 davon sind homo- oder bisexuell. Seit Beginn der HIV-Epidemie in den 80er-Jahren hat die Infektion etwa 27.000 Todesfälle gefordert; jährlich kommen etwa 500 weitere hinzu. In Deutschland wurde im Jahr 2014 bei etwa 3.500 Menschen eine HIV-Infektion neu diagnostiziert.

Weltweit forderte das Virus in einem einzigen Jahr unfassbare 1,2 Millionen Todesopfer im Zusammenhang mit Aids; etwa 37 Millionen Menschen sind Virusträger. Da HIV oft erst Jahre nach der Infektion festgestellt wird, beruhen diese Zahlen auf Modellrechnungen und Dunkelziffern. Die Infektionsgefahr ist daher vielen Männern nach wie vor nicht bewusst.

Quelle: www.spiegel.de